Anglerverein startet Aufzucht in Posthausen Kinderstube für bedrohte Flusskrebse

 

Gespannt warten die Projektväter (v.l.) Günter Pöschl , Uwe Roll, Horst Knocke und Gerhard Dause auf den ersten Flusskrebs-Nachwuchs in den Aufzuchtbecken.

 

Posthausen – Sie fressen, wachsen und häuten sich. Für Uwe Roll das klare Zeichen: Die 16 Flusskrebse, die der Anglerverein Achim in vier Becken im Posthausener Angelpark Birkengrund angesiedelt hat, gedeihen. Und können jetzt also zur Sache kommen: Im Herbst ist Paarungszeit, und für den kommenden Frühsommer hoffen Roll und seine Mitstreiter auf Hunderte von Babykrebsen in der mit viel Einsatz eingerichteten Kinderstube.

Der Nachwuchs aus dieser Aufzuchtstation soll später in Teichen der Region ausgesetzt werden und das ökologische Gleichgewicht verbessern helfen. In Deutschland ist der heimische Flusskrebs laut Roter Liste vom Aussterben bedroht. Mit der angestrebten Wiederansiedlung hat sich der Anglerverein ein ambitioniertes Artenschutzprojekt vorgenommen.

 

Die Flusskrebsaufzucht ist das erste Vorhaben dieser Art für den Achimer Verein um seinen Vorsitzenden Uwe Roll. Projekte für gefährdete heimische Fischarten sollen folgen. „Aber für das alles“, sagt Roll, „braucht man bewachte, nicht frei zugängliche Gewässer.“ An der Weser geht so etwas nicht – wohl aber im Angelpark Birkengrund, den der Achimer Anglerverein seit 2018 von der Eigentümerfamilie Wrede gepachtet hat. Als Unterpächter betreibt Uwe Roll die Forellenteichanlage sieben Tage die Woche.

Mit den neuen Möglichkeiten entstand im Verein die Idee eigener Aufzuchtprojekte, wie sie auch der Landesverband auf einer Station nahe Hannover für seine angeschlossenen Vereine betreibt. Auf dem Posthausener Gelände planierten die Angler eine Fläche, auf der die Mitglieder Gerhard Dause und Horst Knocke in ehrenamtlichem Einsatz vier Becken installierten, einzäunten und gegen zu viel Laub- und Sonneneinfall überdachten. Uwe Roll baute die Verbindung zu den bestehenden Gewässern und schloss Zu- und Abläufe an. „Über einen Bachlauf wird das Wasser gefiltert“, so Roll.

 

Gut 10 000 Euro investierte der Verein nach Worten von Schatzmeister Günter Pöschl in die Aufzuchtanlage. Bei der niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung beantragte Pöschl eine 85-prozentige finanzielle Förderung. Mit Erfolg: 8500 Euro Zuschuss kann er jetzt abrufen.

„Weil wir nicht nur was für Kochtopf und Bratpfanne machen wollen, sondern für das Ökosystem“, wie Roll sagt, entschieden sich die Angler für die heimischen Flusskrebse als ihr erstes Artenschutzprojekt. Der sogenannte europäische Edelkrebs wurde „ausgerottet durch den amerikanischen Krebs“, erzählen die Angler. Die eingewanderten Arten schleppten schon vor Jahrzehnten die „Krebspest“ ein, die für hiesige Arten tödlich ist. Aber „unser Flusskrebs gehört in diese Gewässer wie der Bitterling und das Moderlieschen, und deshalb wollen wir ihn hier wieder ansiedeln“, sagt Roll. Als Alles- und auch Aasfresser seien Flusskrebse die Müllabfuhr im Gewässer und dienten auch selbst als Nahrung: „Sie sind wichtig für den ökologischen Kreislauf.“

Für die Aufzucht setzten Roll und seine Mitstreiter im Juli jeweils drei Weibchen und ein Männchen in die vier Becken ein. Die etwa drei Jahre alten Flusskrebse holten sie aus der Zuchtstation ihres Landesverbandes. Als nachgebildete Wohnhöhlen legte Roll den Krebsen Dachpfannen ins Becken, unter denen sie sich verstecken. Zu fressen gibt"s Wasserpest, Laub, Maden und was im moorigen Wasser so anfällt: „Wie gesagt, die fressen alles.“

Nach der Paarung legen die Weibchen bis zu 300 Eier, die sie unter dem Bauch bei sich tragen, „bis sie etwa im Mai die Brut abwerfen“, so Roll. Dann wird es seine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass die Babykrebse nicht von den Alttieren gefressen werden. Im Herbst schließlich soll der Nachwuchs in Gewässern der Fischereivereine in der Region ausgesetzt werden. „Aber nur in Teichen, in denen keine amerikanischen Krebse sind“, betont Roll. Ansonsten wäre die Lebenserwartung der angesiedelten heimischen Flusskrebse gering. Das Vorkommen invasiver Feinde wird vor dem Besatz mittels Krebsfallen erkundet.

Der Anglerverein hat weitere Aufzuchtprojekte für bedrohte Arten bereits in Planung: Die Aalquappe zum Beispiel könnte laut Roll die Bestände der Schwarzmundgrundel regulieren, einer invasiven Art, die Weißfischgelege frisst. Der gezielte Besatz mit Fressfeinden sei die biologische Variante, eingewanderte Schädlinge zu bekämpfen und das ökologische Gleichgewicht zu fördern.

Dieser Vertreter seiner Art soll für viele Nachkommen zugunsten der Gewässerqualität in der Region sorgen.

von Bleich

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